"Das Gefährliche an Halbwahrheiten ist immer, das immer die falsche Hälfte geglaubt wird"   Hans Krailsheimer


Halbwahrheiten, das Internet mit seinen zig Foren, ein bisschen Magie...und ein bisschen Zeit.
                Dann kann man aus Sch****e Geld machen!


Sturmgläser:
Das durch Admiral Fitzroy populär gewordene Sturmglas kann angeblich das Wetter vorhersagen. Verändert sich das Wetter, oder es kündigt sich anderes Wetter an, dann verändern sich angeblich auch die Kristalle in der Lösung. Noch besser: Angeblich kann man an den "verschiedenen" Kritallstrukturen auch noch verschiedene Wetterlagen erkennen.

Eigentlich ist das Sturmglas nur eine Glasröhre, die mit Alkohol gefüllt ist, in der auch noch Campher, Kaliumnitrat und Ammoniumchlorid gelöst wurden. (Hier mal ein Rezept)


Lunte gerochen:

Nachdem ich nun in etlichen Internetforen und Versuchsseiten die haarsträubendsten und wildesten Theorien darüber gelesen habe, warum nun die Kristalle in so einem Glas sich manchmal ändern und sich dann auch noch das Wetter ändert, hatte ich beschlossen, hier selber mal tätig zu werden und tzu schauen, was dort wirklich so abgeht.
Zum einen bin ich sehr Technik interessiert und zum anderen chemisch vorbelastet.


So könnte ihr sog. "Sturmglas" evtl. aussehen. Mal ist es etwas flockig...


Mein "großer" und langer Test

Da ich von Anfang an daran geglaubt habe, dass unterschiedliche Kristallformen von evtl. Temperaturänderungen hervorgerufen werden, hatte ich beschlossen einen ca. 100ml Ansatz in ein doppelwandiges und von außen beheizbares Glasrohr zu geben. Hier wollte ich mal testen, ab welcher Temperatur die Lösung anfängt auszukristallisieren, bei welchen Temperaturen denn nun was passiert und bei welchem Wetter sich denn nun Veränderungen einstellen.
Also stellte ich mir eine Lösung her, wie sie allg. im Internet immer wieder kursiert und füllte sie in ein Doppelrohr...

...mal sieht es aus, als würde ein Farn in der Flüssigkeit wachsen.
Um das doppelwandige Rohr immer bei der konstanten Temperatur zu halten, benutzte ich einen Lauda Thermostaten . Mit diesem Thermostaten war es mir möglich, die Temperatur der Lösung auf 0,05°C Konstant zu halten. Bei den verwendeten Chemikalien handelte es sich um Analyse Qualitäten. Das Campher ist kaum von höchster Güte zu bekommen, was ich auch nicht für nötig hielt, denn ich glaube nicht, dass Fitzroy mitte des 19. Jahrhundert besseres Material hatte. Selbstverständlich habe ich reinen Alkohol verwendet und kein Spiritus und außerdem entionisiertes Wasser, also frei von Kalk. Außerdem war die Röhre an beiden Seiten mit einem Schliffstopfen verschlossen, weil ich auf jeden Fall den Einfluss des Luftdruckes ausschließen wollte.
Nun heizte ich die Röhre auf genau 25°C auf um sicherzustellen, daß alles Campher und die anderen Chemikalien gelöst werden. Das hat ca. einen Tag gedauert.
Nun habe ich die Temperatur jeweils um genau 1 Grad C gesenkt und diese Temperatur genau eine Woche so gelassen! Somit hatte ich nach ca. 5 Wochen 20°C erreicht. Ich habe die Temperatur bei 20°C für ca. 8 Wochen so gelassen.
Erstaunlich fand ich, daß die Lösung auch bei 20°C absolut KEINE KRISTALLISATION zeigte, OBWOHL sich in 8 Wochen das Wetter mehrmals stark änderte! (Herbst 2008)

Nach den 8 Wochen habe ich angefangen die Temperatur wieder jeweils um 1 °C zu senken um nun endlich zu sehen, wann die Lösung anfängt Kristalle zu bilden. Bei 19°C ging es dann endlich los, es bildeten sich "Farne" und ich habe auch hier die Temperatur für ein paar Wochen so gelassen um einen evtl. Wettereinfluß zu erkennen. Leider muß ich auch hier sagen: Nichts!
Die Farne, die sich bildeten, veränderten sich kein bisschen!
Wenn man jetzt die Temperatur weiter senkt, entstehen auch mehr Kristalle, was ich auch für ziemlich logisch halte, denn das tun fast alle Salzlösungen. Nach ca 5 Monaten habe ich den Versuch beendet.


Die Fakten

- die Lösung eines Sturmglases zeigt seine größten "Aktivitäten" im Bereich von 20°C
- entstandene Kristalle verändern sich bei gleichbleibender Temperatur nicht
- bei meinen (langsamen) Temperatursenkungen entstanden ausschließlich "Farne".
- bei schnellen Temperatursenkungen entstehen "milchige" Lösungen



Mein ganz persönliches Fazit:

Das die Lösung gerade bei 20°C seine größten Aktivitäten zeigt liegt schlicht und ergreifend an der entsprechenden Zusammensetzung und den entsprechenden Chemikalien. Dieser Mythos wäre ja auch nicht so weit gekommen, wenn es nicht so viele Menschen gegeben hätte, die ihre Sturmgläser zu Hause hatten und Nachts ständig die Temperatur unter das Löslichkeitsprodukt gefallen wäre.
Und je nachdem, wie schnell oder langsam die Temperatur fällt, entstehen auch unterschiedliche Kristllstrukturen, was den Mythos des angeblichen Wettereinlusses natürlich noch verstärkt.

Da viele das Glas auch noch offen betreiben und hier evtl. Staub und Dreck reinkommen können, besteht auch noch die Möglichkeit, das hier eine Art Kristallisationskeim zugegeben wurde. Das begünstigt das Kristallwachstum immer wieder aufs Neue. Das Gleiche gilt übrigens bei der Verwendung von Leitungswasser, auch hier besteht die Möglichkeit, dass in die Lösung Kalkpartikel reinkommen, an denen sich immer wieder Kristalle "ransetzen" können.

Fest steht für mich: Die Lösung zeigt keinerlei "Spherischen" Wettereinfluss. Sie reagierte bei mir AUSSCHLIEßLICH auf Temperatureinfluss und sonst nichts.

Wenn sie also in Sachen Kristallisation was interessantes tun wollen, dann tun sie mir doch ein gefallen:
Kaufen sie für ihre Kinder einen Kristallzucht-Kasten und für sich selber so ein Latentwärmespeicher, der ihnen bei jedem klicken immer wieder aufs Neue zeigt, wie toll die Kristallisation doch sein kann. Mit diesen 25€ haben sie dann was sinnvolles für sich und ihre Kinder vollbracht.